Zum Paradigmenwechsel bei der Kommunikation in der öffentlichen Verwaltung

    «Die Ansprüche sind vielfältiger und gewachsen»

    Kritik an der behördlichen Informations- und Kommunikationspolitik kommt nicht selten vor. Oft wird dabei jedoch vergessen, dass die Öffentlichen Verwaltungen bei ihrem Umgang mit Informationen mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert sind. Wir haben mit Barbara Hauser, Leiterin Kommunikation der Gemeinde Reinach, gesprochen.

    (Bild: Gemeinde Reinach) Das Gemeindezentrum Reinach: Hier laufen unter anderem die Fäden in der Kommunikation zusammen.

    Die behördliche Kommunikation ist heute mehr denn je eine besondere Herausforderung: Neue und zusätzliche Ansprüche stellen ihren gewohnten, oft hoheitlich geprägten Umgang mit Informationen in Frage. Hohe Transparenzansprüche sind die Regel. Mit der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips wurden die Rahmenbedingungen geändert. Das Öffentlichkeitsgesetz führt zu einer Ablösung des bisherigen grundsätzlichen Geheimhaltungsgrundsatzes durch den Öffentlichkeitsgrundsatz. Auch mit Rücksichtnahme der Transformation der Arbeitswelten und der Digitalisierung (das grosse Stichwort ist hier «E-Government) verändern sich Arbeitsweisen und die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger.

    Vom Verwaltungsapparat zum Dienstleistungsbetrieb
    Die öffentliche Verwaltung ist längst kein Verwaltungsapparat mehr sondern eher Dienstleistungsträger/in und entspricht der Idee des New Public Managements (NPM). Früher wurde die Kommunikation gewissermassen formal gesteuert, heutzutage werden die Bürgerinnen und Bürger als Kundschaft und Stakeholder betrachtet. Die «neue Verwaltung 4.0» ist heute ein dynamisches, komplexes und soziales Gebilde. Die Verwaltung ist somit nicht nur Teil des politischen Systems, sondern der Gesellschaft geworden.

    Barbara Hauser, Leiterin Kommunikation der Gemeinde Reinach/BL beschreibt aber auch, wie sich im Alltag diese Herausforderungen auswirken. Dies insbesondere wenn es um die Kommunikation und Aufmerksamkeit für relevante zu kommunizierende Themen geht: «Wir kommunizieren über sämtliche für die Bevölkerung relevanten Themen, aber erleben oft, dass die Leute das gar nicht mitbekommen. Auf unserer Website und unserer App sind alle Inhalte jeweils aktuell verfügbar, aber die Leute informieren sich einfach viel zu wenig und beklagen sich dann, dass es keine Infos dazu gibt. Wir publizieren auch wöchentlich eine TV-Sendung. Ich habe schon manchmal zum Scherz gesagt, wir sollten bei über 19’000 Einwohnenden an der Tür klingeln und ihnen die Neuigkeiten aus ihrer Gemeinde vorlesen – aber das geht natürlich nicht. So publizieren wir unsere Infos einfach auf mehreren Kanälen, damit wir auf diesen verschiedenen Wegen möglichst viele Leute erreichen. Darum wäre auch Social Media für uns interessant. Aber das entscheidet letztlich der Gemeinderat.»

    Komplexe Inhalte «rüberbringen»
    Ein Problem sei auch, so Barbara Hauser, dass viele Inhalte recht komplex seien. Und obwohl man offen und transparent kommuniziere, kann es passieren, dass viele Leute den Eindruck haben, «die machen sowieso, was sie wollen», wie es Barbara Hauser formuliert. «Aber in Wahrheit ist es so, dass die Bevölkerung schon zu Beginn eines Projektes mitreden kann und unsere Fachleute in der Verwaltung alles daran setzen, nach ihrem besten Wissen und Gewissen das Beste für Reinach zu entwickeln. Diese Vorschläge unterbreiten die Fachleute dann dem von der Bevölkerung gewählten Gemeinderat bzw. – je nach Zuständigkeit – dem Einwohnerrat. Bei allem müssen wir uns aufgrund des Legalitätsprinzips an zahlreiche Reglemente und Verordnungen halten», sagt sie. Die Gemeinde Reinach ist im Kanton im Übrigen in vielen Bereichen eine Pionierin. So auch bei der Kommunikation. Hauser: «Wir waren in der Region die Ersten mit einer Abteilung für Kommunikation und diesbezüglich lange Zeit vielen anderen Gemeinden voraus. Inzwischen haben zahlreiche Gemeinden erkannt, dass auch sie Kommunikationsprofis brauchen, um ihre vielen Themen adäquat unter die Leute zu bringen, um ihre Homepage professionell mit Inhalten zu bestücken, um ihre Anlässe gut organisiert durchzuführen, um ihr Corporate Design durchzusetzen und um letztlich Standortmarketing zu betreiben und so weiter.»

    (Bild: zVg) Barbara Hauser, die Leiterin Kommunikation der Gemeinde Reinach

    Frau Barbara Hauser, wie sieht die Kommunikation zur Bevölkerung seitens der Gemeinde Reinach grundsätzlich aus?
    Barbara Hauser: Wir kommunizieren aktiv, offen, transparent via Medienmitteilungen, mit amtlichen Mitteilungen, Inseraten, Birsstadt-TV und Website sowie mit Newslettern, App, Flyern und Plakaten. Wir schreiben und layouten auch Abstimmungszeitungen, und machen Info-Anlässe zu zahlreichen Themen in der Gemeinde. Wir kommunizieren amtliche Informationen wie Wahlergebnisse, Revisionen von Erlassen und dergleichen und liefern Infos zu Baustellen, Schulen und vielem mehr. Verantwortlich für unsere Kommunikation ist letztlich der Gemeinderat. Wir publizieren im Auftrag des Gemeinderats.

    Haben Sie in der Vergangenheit Erfahrungen sammeln können, wo die Kommunikation zur Bevölkerung optimal verlief und bei welcher Gelegenheit eher nicht?
    Barbara Hauser: Frühzeitig zu informieren, hilft immer. Besonders bei komplexen Themen wie Quartierplanungen. Aber es ist trotzdem nicht einfach, weil die Leute je nach Komplexität die zum Teil technischen Inhalte oder auch die Zusammenhänge nicht immer verstehen. Zudem stellen wir manchmal fest, dass nicht mehr so viele Leute am politischen Geschehen interessiert sind. Das Interesse verlagert sich mehr auf Anlässe, Unregelmässigkeiten und dergleichen. Interessant ist, was nicht die Normalität abbildet. Wir haben aber auch Informationspflicht bezüglich der tiefer greifenden Sachthemen, dem «courant normal».

    Gibt es neue Kommunikationsmittel, die Sie in Zukunft verwenden werden?
    Barbara Hauser: Wir überarbeiten derzeit unser Kommunikationskonzept und werden voraussichtlich, wenn der Gemeinderat grünes Licht gibt, ab Ende Jahr auch via Social Media kommunizieren.
    Wir organisieren uns mit einem Medienplaner. Im Wochenblatt können wir wöchentlich maximal drei Medienmitteilungen und drei Inserate platzieren. Und wir verschicken diese Publikationen natürlich auch an die Medien der Region. Dabei orientieren wir uns an den Beschlüssen des Gemeinderats, wenn es darum geht welches Thema wann publiziert werden soll. Und wir befragen aktiv die Projektverantwortlichen zu den laufenden Projekten, damit wir zum Beispiel über Meilensteine berichten können. Auch Hinweise aus der Bevölkerung, die via Telefon, Mail oder Leserbriefen zu uns gelangen, greifen wir bei unserer Kommunikation auf. Wo immer es geht, versuchen wir zur Klärung von Fragen beizutragen. Und wir publizieren auch Inhalte, die nicht direkt aus der Gemeindeverwaltung kommen. Zum Beispiel Infos aus den Vereinen oder vom Kanton, die für Reinach eine Relevanz haben.

    Wie sprechen Sie die zu Teil heterogenen Zielgruppen an?
    Barbara Hauser: Wir bleiben sachlich-journalistisch und sprechen die Bevölkerung nicht «direkt» an. Es kommt aber vor, dass wir zum Beispiel die junge Bevölkerung bei speziellen Themen anders ansprechen. Die Bevölkerung ist oft bei einem Thema geteilter Meinung. Unsere Aufgabe ist es, sachlich korrekt sowie neutral ausgewogen zu kommunizieren. Im Bereich Social Media nutzen wir heute nur Youtube. Dort wird unser Birsstadt-TV aufgeschaltet. Auf Facebook sind wir erst mit dem Thema «Stadtentwicklung» vertreten. Das wollen wir ausweiten. Und eventuell könnten dann auch Twitter und Instagram ab nächstem Jahr zum Thema werden.

    Wie kommunizieren Sie bei neuen digitalisierten Leistungen? Das Stichwort ist E-Government.
    Barbara Hauser: Wir bieten schon heute über die Website einige Dienstleistungen im Online-Schalter an. Das wird sich auch nicht ändern, falls wir Social Media nutzen. Was genau wir via Social Media kommunizieren werden, wird zurzeit im Detail evaluiert.

    Texte: JoW,
    Interview: Daniele Ciociola


    Das (manchmal) ambivalente Win-Win-Verhältnis mit den Medien
    Ein gutes Verhältnis zu Journalistinnen und Journalisten gilt gemeinhin als Voraussetzung für eine wohlwollende Berichterstattung. Allerdings gibt es da auch beidseitig nicht befriedigte Erwartungen: Die sorgfältig vorbereitete Pressemitteilung wurde ignoriert oder ein Nebenaspekt wurde von den Journalistinnen und Journalisten aufgegriffen, ohne die eigentlich gewünschte Botschaft zu transportieren. Verheerend wird die Situation, wenn die Berichterstattenden eine Sensation oder gar einen Skandal wittern. Dann laufen bei unvorbereiteten Einrichtungen die Kommunikationsbemühungen meist völlig aus dem Ruder. Dies ist häufig in der Krisenkommunikation zu beobachten. Auch professionelle Public Relations kann diese Dynamik nicht zur Gänze unter Kontrolle halten. Hilfreich ist daher für alle Kommunikationsbeauftragte in der Verwaltung, die Routinen und Mechanismen des Journalismus zu verstehen. Die Nachrichtenwertforschung und Framing-Analysen zeigen wiederkehrende Muster, deren Verständnis dazu beiträgt, einen angemessenen Umgang mit den Medien zu pflegen.
    (Quelle: SGVW)

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